Die EU hat ein
Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen unverhältnismäßiger und nicht gerechtfertigter Hindernisse im Bereich der freiberuflichen Dienstleistungen
sprich: HOAI
eröffnet. Konkret geht es darum, dass die EU behauptet, dass die in der HOAI genannten Mindestsätze verhindern, dass Ausländer die gleiche Leistung billiger anbieten können. Rechtlich sehe ich das als unbegründet an, da die HOAI nur für Büros mit Sitz in Deutschland bindend ist. Aber lassen wir uns auf die „Geiz ist Geil“ – Zielrichtung der EU ein:
Damit ein freier Architekt seine Leistung im jeweiligen Auftrag erbringen kann, muss er zuvor:
- studiert haben – früher war das ein Diplom, heute wird der Master vorausgesetzt. D. h., es sind mindestens 5 Jahre anzusetzen nach dem Abitur
- mindestens 2 bis 3 Jahre in Büros Erfahrung gesammelt haben, um sich in die Architektenkammer eintragen zu lassen
- regelmäßig Fortbildungen besuchen (mindestens 8 Fortbildungspunkte / Jahr im Saarland). In der Regel werden deutlich mehr Veranstaltungen besucht
- sich regelmäßige privat fortbilden durch die Lektüre der geänderten DIN-Normen, Baugesetze, Landesbauordnungen, Richtlinien etc.
- Büroinfrastruktur aufbauen
- Beiträge an die Berufshaftpflichtversicherung zahlen
- Beiträge an die Architektenkammer zahlen
- ….
- ….
Das heißt konkret, dass bevor ein Architekt anfängt, Geld zu verdienen, er schon relativ alt ist. Die Zeit, die ihm verbleibt, privates Vermögen und Rentenansprüche zu erzeugen ist entsprechend kurz. Und wenn er angefangen hat zu arbeiten, verwendet er viel Zeit darauf auf dem aktuellen Stand des Architekturdesigns, der Bautechnik, des Baurechts etc. zu bleiben. Das alles hat mit dem jeweiligen Auftrag konkret wenig zu tun, stellt aber die Voraussetzung dafür dar, dass er den jeweiligen Auftrag konkret gut und zügig bearbeiten kann. In der Konsequenz ist die Zeit, in der tatsächlich Geld verdient werden kann, recht gering, der Stundensatz dafür etwas höher. Garant hierfür sind die Mindestsätze der HOAI.
Was passiert nun, wenn diese Mindestsätze fallen? Bei einem geringeren erzielbaren Stundensatz muss – um das gleiche wirtschaftliche Ergebnis zu erreichen – die Anzahl der geleisteten Stunden erhöht werden. Dementsprechend verbleibt weniger Zeit für den Rest. Der Rest, das ist die individuelle Fortbildung, das ist die Sicherung der Qualität der Arbeit. In der Folge wird die Qualität der Architektenleistung schlechter. Will man das?
Niemand möchte, dass der Architekt bei jedem Auftrag sagt, da muss ich mich jetzt erstmal prinzipiell hineinarbeiten und dann schaun wir mal in 4 Wochen weiter, wie wir das machen. Jeder erwartet, dass man im Großen und Ganzen sofort anfangen kann und sich die unausbleibliche Recherche auf besondere Details und kleine Teilbereiche beschränkt.
Jeder erwartet, dass der Architekt sich in den Fragen der allgemein anerkannten Regeln der Technik des Bauens auskennt und diese richtig anwendet. Niemand möchte hier Lösungen nach dem Motto: Wird schon funktionieren.
Jeder erwartet, dass der Architekt für seine Tätigkeit gerade steht und diese verantwortet. Niemand ist mit einem Architekten zufrieden, der keine Verantwortung übernehmen will oder kann.
Es ist das alte Lied: Wer Qualität haben möchte, der muss Qualität bezahlen wollen. Für nix kriegt man auch nix.
Der Architekt ist der fachkompetente Interessensvertreter des Bauherrn im Sinne des wirtschaftlich und fachlich besten Ergebnisses für den Bauherrn. Diese Fachkompetenz ist das Ergebnis von viel Arbeit, Lernen und Erfahrung. Diese Fachkompetenz ist etwas wert. Diese Fachkompetenz sichert Qualität, so dass Bauherren noch lange Freude an ihren Bauwerken haben können. Damit wir den Verbraucher mit unserer Fachkompetenz vor Schlechtleistungen schützen können, benötigen wir die finanzielle Sicherheit der HOAI. Damit ist die HOAI aktiver Verbraucherschutz.