Speicherfähigkeit statt Wärmedämmung?

Ersetzt Speichermasse Wärmedämmung?

Immer wieder wird geäußert, dass massive, schwere Wände nicht gedämmt werden müssen. Die hohe Speicherfähigkeit wirke temperaturausgleichend, die Wände kühlen angeblich nicht aus.

 

In diesem Zusammenhang werden Beispiele von z. B. perraudinarchitecture angeführt. Das ist mehr als irreführend, da das Büro sehr differenziert arbeitet und es sich bei dem Objekt mit 1 m dicken Kalksteinwänden um ein Weingut in mediterranem (!) Klima handelt. Die Durchschnittstemperatur beträgt hier ca. 13,3°C über das ganze Jahr. D. h. das dies auch die Grundtemperatur des Gebäudes bzw. dieser massiven Außenwände ist. Durch den Einsatz von diesen sehr massiven Außenwänden minimiert man Temperaturschwankungen und hält diese Temperatur quasi über das ganze Jahr. Für ein Weingut ist das eine super Temperatur.

Das ist mit Wohngebäuden im Saarland aber nicht zu vergleichen. Die Durchschnittstemperatur liegt in dieser Region bei 10,3°C. Ich kenne niemanden, der dauerhaft mit durchschnittlich 10°C Innenraumtemperatur zufrieden wäre. Das wäre aber das Ergebnis, wenn man o. g. Konzept anwenden würde. Ohne massives Zuheizen würde das Gebäude ganzjährig um diese Temperatur schwanken. Das ist das Feeling, das man früher auf Burgen hatte. Das war wirklich nicht angenehm. Auf der Seite Quora wurde dieser Frage „Wie lebt es sich auf einer Burg?“ nachgegangen. Es lohnt sich die Erlebnisberichte von Leuten, die es heute nochmals versucht haben, zu lesen.

Es ist mir zudem schleierhaft, wo bei 1 m dicken Außenwänden aus massivem Kalkstein das Einsparpotential bei den Baukosten liegen soll, aber egal. Genannt wird dieses Beispiel dafür, dass es ohne Wärmedämmung gehen soll.

 

Grundlage des Mythos der hohen Speichermasse, die Wärmedämmung überflüssig machen soll ist die Trägheit. Dabei werden zwei unterschiedliche Materialeigenschaften verwechselt. Dies sei hier näher erläutert.

Der Kalkstein hat eine hohe Speichermasse und reagiert träge. So ist es angeblich im Sommer kühl und im Winter warm. Das mit dem Sommer kühl, stimmt halbwegs, aber das mit dem Winter warm nicht. Der Energiefluss nach außen von warm nach kalt wird durch die Speichermasse eines Systems nicht beeinflusst. Die Speichermasse beeinflusst lediglich die Höhe der Temperaturabsenkung an der Oberfläche bzw. im System. D. h., wenn ein System mit geringer Speichermasse z. B. 100 kWh Energie verliert, dann sinkt die Systemtemperatur insgesamt mehr als bei einem System mit hoher Speichermasse. Aber die Energie, die aufgewendet werden muss, um die Ursprungstemperatur wieder zu erreichen, ist in beiden Fällen gleich.

Beispiel:

Randbedingungen
Innentemperatur 20°C/ Außentemperatur -10°C

Bei o. g. 1 m dicken Kalkwand sinkt die Systemtemperatur in 24 Stunden an einem kalten Wintertag um ca 1,5 Kelvin. Der Energieabfluss beträgt dabei pro Quadratmeter Wand ca 810 Wh/m²

Bei einer leichten Ytong-Wand (U=0,24 W/m²K), die den aktuellen Mindestanforderungen an den Wärmeschutz entspricht, würde die Systemtemperatur um 4,9 Kelvin sinken. Der Energieabfluss beträgt hier lediglich ca 170 Wh/m²

Nun ist eine abgesenkte Temperatur immer unangenehm und spätestens am 2. Tag ohne Heizung möchte ich auch die Kalkwand wieder warm haben… Dann sind hier > 1600 Wh/m² Außenfläche Energie erforderlich, während bei der Ytong-Wand nur ca. 340 Wh/m²Energie erforderlich sind.

Jetzt schaun wir uns die geschmähte Massivwand mit Wärmedämmverbundsystem (U=0,24 W/m²K) im Vergleich an. Diese kombiniert eine hohe Speicherfähigkeit mit sehr guter Wärmedämmung. Ein Tag ohne Heizung führt zu einer Temperatursenke des Systems von 1,6 K bei einem Energieabfluss von lediglich ca 170 Wh. Es verbindet damit die Trägheit des Systems mit der Energieeffizienz. Was ist daran falsch?

 

Wer nicht Äpfel mit Birnen vergleichen möchte, der wendet sich an SCHNEEWEISS ARCHITEKTEN

 

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