Abriss ist keine Option
Am 11.11.2023 titelt die Saabrücker Zeitung auf der Seite C1 mit der reißerischen Überrschrift „Hilft Abriss gegen Leerstand in der City?“ – Im weiteren sieht man das Gebäude des Finanziministeriums, das suggestiv zur Disposition gestellt wird. Als Architekt, der sich nun seit vielen Jahren mit Energieeffizienz, mit Nachhaltigkeit, mit den strukturellen Problemen beim Bauen beschäftigt, reibe ich mir verwundert die Augen und frage: „Habt ihr den Schuss nicht gehört?“ Inzwischen müsste dem letzten Akteur im Bauwesen klar sein, dass die Energie, die in der Substanz eines Gebäudes steckt, gigantische Ausmaße hat. Zudem ist jedem klar, dass mit jedem Abriss eines Gebäudes der gigantische Müllberg des Bauens weiter vergrößert wird. 50% des Müllaufkommens erzeugt das Bauen. Desweiteren ist jedem klar, dass z. B. die Materialien Kies und Sand schon heute Mangelprodukte sind. Allein vor diesem Hintergrund sind der Gedanke an Abriss und die Option eines verschämten, vor schlechtem Gewissen triefenden „Ersatzneubau“, die allerletzten Gedanken, den man fassen sollte, nachdem alles, aber wirklich alles versucht wurde, mit dem Bestand klar zu kommen.
Wirtschaftlichkeit ist eine Frage der gesetzten Rahmenbedingungen
Oft wird mit Wirtschaftlichkeit argumentiert. Diese Betrachtungsweise basiert auf einem Konsumismus, der aus Gebäuden Wirtschaftsobjekte und Zahlen gemacht hat. Gebäude sind von Ihrem Wesen aber keine Wirtschaftsgüter, da sie sich – sofern sie solide, qualitätvoll und dauerhaft geplant und gebaut sind, den zeitlichen Zyklen der Wirtschaftskreisläufe idealerweise entziehen. Zudem liegt der vermeintliche wirtschaftliche Vorteil eines Abriss mit Neubaus gegenüber eines Umbaus darin begründet, dass unser Wirtschaftsystem auf der Besteuerung der Arbeit basiert. Würde – was ökologisch Sinn ergibt – der Naturverbrauch, also das Material, und das Kapital besteuert werden, so wären Umbauten immer (!) die wirtschaftliche Lösung. Die Wirtschaftlichkeit solcher Abriss-Lösungen basiert also im Kern auf einem Wirtschaftssystem, das auf der Ausbeutung von Natur und Menschen basiert.
Respekt vor den Dingen
Desweiteren stellt sich mir die Frage, wann dieser respektlose und verantwortunglose Umgang mit den Dingen begonnen hat? Wenn wir z. B. das Finanzministerium in Saarbrücken nehmen. Das ist ein Gebäude, das in seiner Grundsubstanz stabil und sicher da steht, das von seiner Architektur überzeugend ist. Wie kommt man auf den Gedanken, etwas Funktionierendes mutwillig zu zerstören? Jede Umwandlung, jede Transformation, jeder Umgang mit dem Bestand ist besser als die selbstverliebte, egozentrische, anmaßende Haltung, dass man aus modischen Gründen es heute besser könnte. Allein die Ignoranz, die man den ökologischen Folgen eines solchen Abriss entgegenbringt, ist Beweis genug, dass man es nicht besser kann und die gesellschaftlichen, sozialen und ökologischen Herausforderungen des heutigen Städtebaus und der heutigen Architektur nicht verstanden hat.
Architektur und Städtebau heute muss den ökologischen und sozialen Herausforderungen genügen. Vor diesem Hintergrund machen wir Architektur – SCHNEEWEISS ARCHITEKTEN