In der Kneipe zu laut
Warum man sich in vielen Lokalen nicht versteht
Der Mund zwei Zentimeter vom Ohr des Nachbarn entfernt. Nein, das ist kein romantisches Vorspiel. Man spricht mit angehobener Stimme, damit der Gesprächspartner überhaupt eine Chance hat, zu verstehen, was man sagt. Das ist – leider – übliche Realität in den meisten Lokalen und Gaststätten. Und es liegt in der Regel nicht an der eventuell zu laut eingestellten Hintergrundmusik. Es liegt daran, dass die Raumakustik keine Rolle spielt. Auch bei den neu eröffneten Lokalen in Saarbrücken der letzten Monaten kann man nicht feststellen, dass hier nur ein Gedanke an eine halbwegs akzeptable Akustik verschwendet wurde.
Für die Raumakustik ist die Schallabsorption der Oberflächen entscheidend. Wenn hier nur harte Materialien verwendet werden, beispielsweise ungelochte Gipskartonplatten, Estrich, Parkett, normale Putzflächen etc., dann verhalten sich diese Oberflächen zum Schall wie ein Spiegel zum Licht. Der auftreffende Schall wird einfach reflektiert, solange bis durch die Entfernung die Schallenergie sich so sehr vermindert, dass nichts mehr zu hören ist.
Beispiel:
Spricht man mit angehobener Sprache von 60 dB, dann verringert sich der Schallpegel nach ca 50 m auf ca. 30 dB. 30 dB entspricht damit in vielen Fällen dem Grundschallpegel, wenn alle komplett ruhig wären. Grundschallpegel und Restschallpegel ergeben dann zusammen 33 dB, es ist also gefühlt fast doppelt so laut, als wenn niemand reden würde, obwohl das Geräusch schon lange rum ist. Für die normale Kneipe mit harten Oberflächen ist der Schall damit ca. 5 mal hin und her gewandert… Sitzt man mittig in einem 10 m breitem Raum, dann ist der Schall 4-mal an einem vorbeigerauscht.
Die Verständlichkeit der Sprache sinkt eklatant, wenn zwischen erstem Schallereignis (Mund an Ohr) und dem 2. Schallereignis mehr als 50 ms vergehen. Das entspricht einem Schallweg von 17 m. 17 m sind deutlich weniger als 50 m. Also sollte spätestens die 2. Fläche, auf die der Schall trifft, so schallabsorbierend sein, dass die Restenergie des Schalls unter der Wahrnehmungsschwelle liegt. Ist eindeutig in den allermeisten Gaststätten nicht der Fall.
Die Grafik zeigt, dass in geringen Entfernungen die Schallabsorption im Raum nicht wirkt, aber mit zunehmender Entfernung. Dass heißt, in direkter Nähe verstehen sich die Gäste untereinander, doch der Nachbartisch hat es schon schwer. Und man muss auch nicht zuhören, was der Nachbartisch für interessante Geschichten hat. … Ich denke, so wäre das gemeinsame Abendessen echt gut. Man muss nicht schreien. Die, die es verstehen sollen, verstehen es und die anderen nicht.
SCHNEEWEISS ARCHITEKTEN – WIR DENKEN WEITER